Wandern auf Abwegen ist gar nicht abwegig …
Ein weiteres Vorfrühlingswochenende im Februar stand vor uns. Und da wir unsere letzte Drei-Tage-Wanderung körperlich erstaunlich gut verkraftet hatten (nicht mal Muskelkater!), planten wir eine weitere Tour: von Wernigerode nach Tanne. Dies sollte an einem Tag entspannt zu schaffen sein. Allerdings wollten wir uns diesmal vorab eine Unterkunft in Tanne sichern. Das Dilemma: Zwei Nächte Mindestaufenthalt an den Wochenenden oder keine Hunde erlaubt oder ausgebucht! Mit der Hoffnung im Gepäck, vor Ort doch noch eine Gelegenheit zum Schlafen zu finden, und dem Trumpf im Ärmel, mit dem letzten Zug der Harzer Schmalspurbahnen ab Sorge nach Hause zu kommen, ging es los.
Tag 1 | Tanne überrascht mit herzlicher Hilfsbereitschaft
Bis zum Voigtstieg im Mühlental streiften wir durch unseren Heimatwald. Hier, rund um den Armeleuteberg und rings ums Kalte Tal, kennen wir – auch dank unserer Hündin Lotte – wohl jeden Weg und Steg. Wir liefen diesmal unterhalb des Kaiserturms zum Ernst-Moritz-Ernst-Weg (Stempelstelle Scharfenstein) und dann auf dem Astberg-Rundweg hinab zum Parkplatz ins Kalte Tal. Nun mussten wir noch ein Stück zurück zum Voigtstieg, um auf der anderen Seite der B 244 unseren Wanderweg nach Elbingerode zu erreichen. Bewusst Harzklub-Wege meidend, nahmen wir den breiten Weg oberhalb der Bundesstraße. Bald schon trafen wir auf einen riesigen Holzlagerplatz und auf freundlich grüßende Forstarbeiter an ihrem Harvester. Wir arrangierten uns damit, dass die Wege hier von schweren Maschinen zerfurcht und zerwühlt waren. Heutige Forstwirtschaft lässt nun einmal Romantik vermissen, dafür zählen Effektivität und Rentabilität. Sehr viel mehr zur Entwicklung des Harzer Forstwesens sollten wir am nächsten Tag erfahren.
Etwas abenteuerlich erreichten wir das Schaubergwerk Büchenberg, denn auf dem letzten Stück sahen wir zwar alte Hinweisschilder des Bergbaulehrpfades, der Pfad selbst allerdings war nur mit Mühe begehbar. Am Schaubergwerk (Stempelstelle) liefen wir bis zum Parkplatz an allerlei Technik vorbei. Schnell waren wir uns einig, dass es cool wäre, wenn man die Geräte in Betrieb sehen könnte. Wir werden wohl demnächst das Schaubergwerk besuchen.
Über die große Wiese links der Straße entlang (sonst wandern wir immer über die Unart) nahm uns das Bild „Vater Brocken in friedlicher Eintracht mit dem Wurmberg“ gefangen. Nach kurzer Mittagspause an einer Bank und weitem Blick über die Hochfläche zum Tagebau und zur Stadt erreichten wir Elbingerode. Wir liefen durch den teilweise sehr schön restaurierten Schlosspark wieder hinaus aufs freie Land und direkt entlang der landschaftsprägenden Tagebaue (Stempelstelle). Ein weiteres Mal auf dieser Wanderung bewegten sich unsere Gefühle zwischen Verärgerung über die Zerstörung der Natur und Verständnis für wirtschaftliche Interessen. Die Gedanken kreisen… Beim Wandern hat man dafür Zeit.
Unsere nächste Etappe brachte uns nach Königshütte, vorbei an der Ruine der St. Andreaskirche mitten im Wald. Wir fanden allerdings nur ein großes Kreuz und eine Informationstafel, die uns genauere Vorstellungen zu der einstmals bebauten, noch gut erkennbaren Fläche vermittelte. Den 25 Meter langen Sakralbau nutzten wohl die Bewohner der längst verschwundenen Dorfstätte Lüttgen Bodfeld als Kirche. Auf naturbelassenem Wege durch den herrlichen Wald trafen wir an der Überleitungssperre in Königshütte ein. Wir liefen Richtung Tanne zum Parkplatz unterhalb der Ruine Königsburg. Nach weiteren etwa 100 Metern querten wir die Straße und liefen hinter einem Grundstück (Vorsicht freilaufender, sehr großer Hund auf zaunfreiem Grundstück) zum Abzweig des Harzklubweges gelbes Dreieck. Auf mal schmalem und mal breiterem Weg überquerten wir den Spielbach und den Allerbach und trafen zum späten Nachmittag in Tanne ein.
Die zwei im Ort auf Schildern des Leitsystems zusätzlich beworbenen Pensionen waren leider Baustellen und so versuchten wir es doch im Tannenpark (Tannenpark Freizeit GmbH, Schierker Weg 16, 38875 Tanne, Tel. 039457-40808). Eine Nacht wäre kein Problem gewesen und auch der Hund nicht, nur leider war alles ausgebucht! Und dann – es dämmerte bereits – erlebten wir großartige Hilfsbereitschaft. Es wurde telefoniert, organisiert und wenig später saßen wir in einem Auto (Lotte im Kofferraum) und wurden nach Benneckenstein gefahren, weil dort noch ein Zimmer in der Pension „Blechleppel“ (Bahnhofstraße 22, 38877 Benneckenstein, Tel. 039457-9730) für uns zu haben war. Grandios! Oberharzer Gastlichkeit par exellence! Wir waren überglücklich und auch stolz auf unseren Harzer Tourismus.
Tag 2 | Den Forstwirten auf der Spur
Nach einem super Frühstück (die Wirtin füllte gegen einen geringen Obulus unsere Thermosflaschen mit Tee und Kaffee auf) schlugen wir den Weg nach Tanne ein. Wir folgten in strahlendem Sonnenschein dem hochinteressanten forstgeschichtlichen Lehrpfad, lernten u.a. Harzer Forst-Pioniere wie Johann Georg von Langen, Hans Dietrich von Zanthier und vor allem Heinrich Cotta sowie verschiedene Waldbewirtschaftungsformen kennen und genossen zwischendurch den Blick auf den verschneiten Brocken.
In Tanne wechselten wir nicht auf die andere Seite der Bode, sondern steuerten unseren nächsten Wanderstempel an, den wir an der komfortabel mit Tischen und Bänken ausgestatteten Harzklubhütte (originelles hölzernes Gipfelbuch!) auf dem Kapitelsberg bekamen. Die Aussicht war phantastisch. Kein Wunder, dass wir hier nicht allein waren. Ein Pärchen versuchte gerade ein Schwedenfeuer zu entzünden, um gemütlich hier oben den Tag mit frisch gebrühtem Kaffee zu beginnen. Wir holten unsere Brote hervor und gerieten ins Plaudern, erfuhren von ihrer Outdoor-Leidenschaft und von ihrem freundschaftlichen Verhältnis zu Rene Golz, dem Survival-Spezialisten aus Benneckenstein – wir hatten es schon vermutet.
Wir stiegen wieder zur Bode hinab. Ein wenig hatte uns wohl das Abenteuerfiber infiziert, denn unser Wegstück von hier bis nach Königshütte verlangte von uns Geschick und höchste Aufmerksamkeit. Wir wollten unbedingt direkt an der Bode entlanggehen und nicht auf dem ausgewiesenen Wanderweg neben der viel befahrenen Straße. Nur so viel: Es gab den Weg mal durchgehend bis kurz vor Königshütte. Mittlerweile nicht mehr gepflegt, führt er zuweilen dicht an den Abgrenzungen zur Rinderweide entlang, reicht an machen Stellen bis ans Flussbett, ist teils unterspült, zugewachsen, schwer zu erkennen – eben abenteuerlich. Aber die Bode führt wie ein natürlicher Handlauf, sodass man sich nicht verirren und in tiefen Zügen urwüchsige Natur genießen kann. Am Ende, entlang gelbgefärbter Felsformationen, trafen wir auf den Harzer Hexen-Stieg und auf ihm ging es gemächlich in den Ort (Picknick unterhalb der Ruine Königsburg, den Stempel oben an der Ruine hatten wir schon).
In Königshütte liefen wir Richtung Mandelholz und ließen uns durch ein verwittertes Wanderschild „Aussicht Bocksberg“ abermals vom Hauptweg entführen. In Serpentinen kraxelten wir den Berg hinauf, schauten auf das industriell geprägte Königshütte und nahmen unser nächstes Ziel ins Visier: Stempelstelle Königshütter Wasserfall, die man von hier gut erkennen kann. Wir streiften auf der Höhe bleibend (ohne Weg) über die hügeligen Wiesen, querten ein stillgelegtes Eisenbahngleis und gelangten durch Gestrüpp zum Stempelkasten oberhalb des Wasserfalls. In die Jahre gekommene Harzklubschilder wiesen uns den Weg nach Elbingerode und informierten über Aussichtspunkte. Den Blick auf die Mandelholzer Talsperre ließen wir uns nicht entgehen (kurzer Abstecher) und das war klug, denn schon bald erreichten wir den Weg 17 E, auf dem wir am Waldrand lange, lange vor allem eins sahen: das Kalkwerk am Hornberg. Selbst an diesem Sonntag drangen hin und wieder laute Schütt-Geräusche zu uns herüber.
Vor Elbingerode umwanderten wir nach links die Ortschaft und fummelten uns auf diversen Wegen bis zur Zillierbachtalsperre. Unterhalb des Peterssteins (Stempelstelle) passierten wir die Staumauer, wanderten kurz auf breiter Forststraße zum Herbert-Pohl-Weg. Mit ihm hatten wir nun unseren Heimatwald wieder erreicht. Wir genossen die letzten Sonnenstrahlen des Tages und trafen über Hexenstieg, Försterplatz und Braunekohlberg glückselig Zuhause ein.
Fazit: Wandern auf Abwegen ist überhaupt nicht abwegig aber von Fall zu Fall sicher abzuwägen. Erfahrung, ein guter Orientierungssinn und Hilfsmittel wie Karte und Kompass sind unabdingbar, wenn man abseits der beschilderten Wege oder sogar querfeldein wandern möchte. Auf jeden Fall hat es uns sehr viel Spaß gemacht und ist Naturfreunden, die sich auch mal schmutzig machen wollen, sehr zu empfehlen.
Achtung: Das Freie Waldbetretungsrecht ist zu bestimmten Zeiten, zum Beispiel bei Jagden, Forstarbeiten oder bestellten Feldern, eingeschränkt und im Nationalpark sowie auch in Naturschutzgebieten gilt Wanderwege-Gebot.
Unsere Karte auf dieser Tour
Mittlerer Harz
Wander- und Fahrrad-Karte
Erkunden Sie das Gebiet östlich vom Brocken mit der Wander- und Fahrrad-Karte im Maßstab 1:30.000. Im Kartenbild finden Sie neben offiziellen Harzklub-Wegen Mountainbike- und Tourenrad-Empfehlungen.