Einfach mal losgehen …
Freitagnachmittag, strahlender Sonnenschein, 15 Grad – plus! Und das mitten im Februar! Da hielt uns nichts mehr im Büro. Wir schnürten unsere Wanderstiefel, packten unsere Rucksäcke und gingen einfach los ….
Tag 1 | Auf nach Ilsenburg
Von der Winde in Wernigerode zur Himmelpforte, wo wir dem Klosterwanderweg folgten (nur in Höhe der Langen Hecke wechselten wir auf die Wiese, um die letzten Sonnenstrahlen zu erhaschen). In nicht einmal zweieinhalb Stunden standen wir im weitläufigen Schlossgarten Ilsenburg mit wunderbarem Blick auf die vom Abendlicht beschienene Klosteranlage. Nach kurzer Recherche im Internet entschieden wir uns für die „Vogelmühle“ als Unterkunft, direkt im romantisch verwinkelten Ortskern (Tipp für Sonntagsspaziergang!). Wir hatten Glück und bekamen ein Zimmer, auch mit unserer mittelgroßen Hündin Lotte. Kontakt: Pension Vogelmühle, Vogelgesang 1, 38871 Ilsenburg, Telefon: 039452-99230, www.vogelmuehle-ilsenburg.de
Tag 2 | Von Kleingärtnern, Mühlenverstehern und Grenzgängern
Am nächsten Morgen schmiedeten wir beim Frühstück einen Plan: Wir wandern bis Osterwieck und können dann am Sonntag zeitig nach Wasserleben aufbrechen, um pünktlich 10 Uhr am Training unseres Hundevereins teilzunehmen. Gesagt, getan.
Beim Verlassen der Stadt durch eine große Gartenanlage (kann abgeschlossen sein!) verwickelte uns der Vereinschef in ein morgendliches Gespräch über Kleingärtner, Eigenheiten und Nachwuchssorgen. Wir marschierten dann etwas zügiger auf dem Klosterwanderweg weiter Richtung Stapelburg und erreichten schon bald das „Jungborn“-Areal. 1896 vom Braunschweiger Buchhändler Adolf Just gegründet, verschwand die bemerkenswerte Heilanstalt während des Kalten Krieges komplett. Seit 2006 rekonstruiert ein Verein schrittweise originalgetreu Teile der Anlage. Vor allem die aus Ästen gezimmerten Stühle, Bänke und Tische in den Lichtlufthäusern hatten es uns angetan. (Förderverein Jungborn Harz e.V. lädt zu Wanderungen und Grillabenden, Kontakt: Tel. 0151/15568614, www.jungborn-harz.eu).
Hier bewegten wir uns nun im einstigen Grenzgebiet. Der Harzer Grenzweg (von Tettenborn im Südharz bis zum Grenzturm Rhoden im nördlichen Harzvorland) führt an Relikten und Museen vorüber. Überwältigt von der Schönheit der Natur an der hier und da aufbrausenden Ecker erreichten wir Stapelburg, wo direkt am Ortseingang das Grenzdenkmal an die Teilung der deutschen Staaten erinnert und der Jungborn-Verein über sein Wirken informiert.
Auf dem Grenzweg weiter durchstreiften wir den Schimmerwald mit dem Naturschutzgebiet Oker- und Eckertal (bemerkenswerte Biotope). Die Hinweistafeln zum Mühlenwanderweg am Gedenkstein für das Domkapitularische Jagdhaus ließen uns schließlich vom (Grenz-)Weg abkommen. Von Mühle zu Mühle erreichten wir auf dem gut ausgeschilderten und informativen Lehrpfad das Heimatmuseum von Abbenrode nebst Wassermühle Otto. Die kleinste der Abbenröder Mühlen, in den letzten Jahren aufwendig rekonstruiert, setzte sich Minuten später sehr zu unserer Freude in Bewegung. Wir bekamen eine Sonderführung. Der Hobby-Müller vom Verein ließ Wasser auf das Mühlenrad strömen, die Mühlensteine zermalmten Korn um Korn und wir tauchten ein in die wechselvolle Geschichte mit zahlreichen Fotos, Geschichten und sogar beweglichen Modellen. Erst mit dem Versprechen wiederzukommen, um die Heimatgeschichte im oberen Museumsstockwerk zu ergründen und im Ort das Café zu besuchen, entließ uns unser engagierter Gesprächspartner. Heimatverein Abbenrode, Kontakt: Tel. 039452-9270, www.abbenrode-harz.de
Am Ortsausgang schweiften bei einer Brotzeit unsere Gedanken zurück zu den Mühlen und dann – hier an der Brücke der Einheit – noch weiter zurück bis zu dem Tag, als wir am 12. November 1989 im Eckertal die Grenze in den Westen auf abenteuerliche Weise passierten…
Wir sahen jetzt das Dörfchen Lochtum, den Brocken aber nicht. Große Flächen Ackerland bestimmten im weiteren Verlauf die Landschaft. In der Ausflugsgaststätte „Am Finkenherd“ wollten wir eine Kaffee-Kuchen-Pause einlegen, allerdings gönnten sich die Wirte zwischen 14 und 17 Uhr selbst eine Ruhezeit. Bis Wiedelah pilgerten wir auf dem Klosterwanderweg, dann wendeten wir uns an der privat genutzten Burganlage nach rechts Richtung Osterwieck und wechselten auf den Iron Curtain Trail, dem Fahrrad-Pendant zum Grenzwanderweg. Am Wegesrand überraschte uns das Grenzdenkmal „Begegnung“, ein gelungenes Kunstwerk. Es besteht aus zwei Plastiken, von denen die zweite in etwa 400 Meter Entfernung am gegenüberliegenden Feldrain (wie das altbekannte einsame Segel) weiß blinkte.
Ab jetzt wurden wir ununterbrochen mit einem phantastischen Brockenblick belohnt. In den inzwischen goldgelben Strahlen der noch knapp über den Harlyberg lugenden Abendsonne genossen wir die Reste unseres Tagesproviants und wurden von einem freundlichen Ehepaar angesprochen („Waren Sie das nicht vorhin an der Burg?“). Er outete sich als eingefleischter Jäger und Nationalpark-Mitarbeiter und erzählte viel Spannendes über den DDR-Grenzverlauf an dieser Stelle, bis wir uns schließlich gegenseitig mit Anekdoten aus den Zeiten vor der Wende – er mit Westerfahrung und wir mit unserer Ostvita – erheiterten.
Auf dem alten Kolonnenweg, der heute noch auf etwa 50 Meter im alten sogenannten Niemandsland unterbrochen ist, erreichten wir in der Dämmerung Lüttgenrode. Hier hatten uns bereits von Weitem die trutzigen Türme der Dorfkirche geleitet, die aussieht wie die Zwillingsschwester der allerdings viel größeren Stephanikirche in Osterwieck. Um die vielbefahrene Landesstraße zu vermeiden, nahmen wir den Umweg nach Norden über Stötterlingen in Kauf und wurden mit einem grandiosen Sonnenuntergang, einem schönen Wanderweg entlang der Ilse sowie silbern schimmernder Vollmondbeleuchtung belohnt. Die Mitarbeiterinnen im geschichtsträchtigen Fachwerk-Hotel „Brauner Hirsch“ begrüßten uns sehr freundlich. Im Restaurant erfuhren wir dank eines Fotobuches, was die Hoteleigentümer vor zwanzig Jahren in puncto Sanierung geleistet hatten. Wahrhafte Retter eines der vielen verfallenen Baudenkmale in Osterwieck. Hut ab! Kontakt: Hotel „Brauner Hirsch“, Stephanikirchgasse 1-2, Telefon: 039421-7950, www.hotel-braunerhirsch.de
Tag 3 | Eine Belohnung für Lotte und dann entspannt nach Hause 🙂
Am Sonntagmorgen frischten wir unsere Essensvorräte in der örtlichen Bäckerei auf und folgten der Ilse nach Südosten. Noch im Ort führt der Ilseradweg aber vom Flusslauf fort und ein ganzes Stück auf KFZ-genutzter Landstraße entlang, weshalb wir versuchten, in der Natur zu bleiben. Leider war hier nur schwer durchzukommen und eine eingezäunte Schafherde bewirkte schließlich, dass sich die vermeintliche Abkürzung als Umweg erwies! Aber schöner als Straße war es allemal und Lotte hatte ihren Spaß mit einigen davon hetzenden Feldhasen, die hier sonst um diese Zeit wohl noch niemandem begegneten.
Am Ortseingang Berßel trafen wir wieder auf die Ilse, der wir flussaufwärts durch einen schmalen Auenwaldstreifen am Feldrand bis Wasserleben folgten. Am Schwimmbad kraxelten wir zum Friedhof hinauf, neben dem unser Hundeverein seinen Trainingsplatz hat. Lotte war hoch erfreut, auf solch einer Wanderung ihre Freunde zu treffen.
Nach Sitz! Platz! Steh! Voraus! setzten wir durch den bis Veckenstedt weiterhin äußerst idyllischen Auenwald unsere Tour fort und verabschiedeten uns etwas wehmütig von der romantischen Ilse, um auf dem Wernigeröder Radweg Nr. 4 zur Charlottenlust zu gelangen. Lediglich der wunderschöne Fernblick auf das Brockenmassiv stimmte uns milde ob der weiten, abwechslungsarmen Großfelder-Landschaft links und rechts des schnurgeraden halb befestigten Feldweges. Uns mit einem kühlen Blonden im Biergarten der Charlottenlust zu belohnen, misslang leider, denn das Lokal ruhte noch im Winterschlaf. Bier, Kaffee und Kekse bekamen wir schließlich zu Hause, wo wir nach exakt 48 Stunden geschafft und glücklich eintrafen.
Fazit: Einfach mal losgehen war ohne Probleme möglich. Per Smartphone-Internet-Recherche und kurzem Anruf buchten wir beide Male schnell die Unterkunft. Wir hatten allerdings auch immer die Möglichkeit eingeplant, mit Zug oder Taxi eine Unterkunft zu erreichen. Proviant sollte man immer dabei haben, um von den Öffnungszeiten der Gaststätten unabhängig zu sein.
Alternativer Vorschlag: In Veckenstedt könnte man weiter dem Verlauf der Ilse folgen bis Ilsenburg und dann auf dem Klosterwanderweg nach Wernigerode zurückgehen. So wären die historischen Anlagen in Drübeck mit Klostergärten, romanischer Kirche und zauberhaftem Café ein hochwertiger Tourabschluss.
Unsere Karte auf dieser Tour
Harzer Grenzweg
Wander- und Fahrradkarte
Erkunden Sie den Harz entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit im unserer Themenkarte im Maßstab 1 : 30.000.